Freitag, 3. Februar 2012

Dienstag, 31. Januar 2012

Bali - Regenzeit

Der Pool vor unserem Bungalow

Schüss Berlin

Mit dem Fahrrad unterwegs, leicht verschneite Straße, zehn Meter vor der roten Ampel muss sich unbedingt noch ein Auto an mir vorbeiquetschen. Das heutige Pendant zum guten alten Stinkefinger ist das Kopfschütteln. Auf dieses kriege ich wildes Gehupe und Gefuchtel. Also zeige ich ihm im Abbiegen doch die Oldschool Variante. Er kurbelt die Scheibe runter "Du Arschloch...blablabla".

Ein Penner auf seiner Parkbank hat zugehört und blökt genauso laut zurück "Det heisst immer noch Sie Arschloch!"

Berlin, irgendwie werd ich dir vermissen.

Montag, 22. August 2011

Bye


Jetlag

Ein letzter Eintrag vor dem Rückflug. Bali ist einfach zu nett, das gibt journalistisch nichts her. Also kurz zusammengefasst: Mopedtouren durch die Reisfelder, über die Berge (brrr, ist das kalt dort oben bei zweiundzwanzig Grad) in den Norden der Insel. Ein paar Tage in Ubud mit Tanzvorführung des Abends, kurz vor dem Heimflug hier ein Großereignis: Die Frau des Königs von Ubud ist gestorben. Für die Verbrennung werden ein gigantischer Turm, bunt wie zum Karneval in Rio und ein ebenso großer Stier, in dem sie verbrannt wird, gebaut. Der große Tag beginnt mit Stromausfall weil alle Leitungen über die Hauptstraße gekappt werden um durchzukommen. Der einundzwanzig Meter hohe Turm mit dem Sarg hoch oben wird von einer großen Mannschaft durch die Straßen getragen. Es dauert ewig in der Mittagshitze und man grillt derweil im traditionellen balinesischen Gewand. Erst gegen Abend sind der Turm und der Stier am Verbrennungsplatz mit viel Geschrei und unter Einsatz einer Motorsäge an ihrer Position. Im großen und Ganzen geht es recht unzerimoniell zu, entsprechend klettern zwischendrin Touristen herum, die sich für die Wiedergeburt von Robert Capa halten und alles auf hren Megapixeln festhalten müssen. Erst als Alles in Flammen aufgeht und brennende Teile herumfliegen, merken sie, dass es schlau sein kann, auf die Einheimischen zu hören, wenn sie einem bedeuten, jetzt mal aus dem Weg zu gehen. Es wird noch etwas gruselig als die Leiche halb aus dem brennenden Stier herausfällt, aber in irgendwelchen Strippen hängenbleibt während die Helfer Gasbrenner hineinhalten. Arme alte Dame.
Natürlich habe ich die Nase wieder unter Wasser gesteckt, in Padang Bai, wo es je nach Strömung saukalt werden kann und im Norden um die Insel Menjangan herum, die Naturschutzgebiet ist, dafür aber verblüffend wenig Fische hat. Immerhin ist die Unterwasserlandschaft toll mit vielen Fächerkorallen und kleinen Höhlen und Schluchten in der Wand. Höhepunkte waren ein Frogfish und Crocodilefish - irgendwie muss man sich bei der Namensgebung unter Wasser bei der Biologie an Land bedienen - und Riffhaie in Höhlen, schlafend oder einmal aufgeweckt herumkariolend und man ist nicht sicher ob der Bruder jetzt durch uns durch aus der Höhle geschossen kommt.
Lecker Essen, nette Leute, schöne Unterkunft, ein schöner Ausklang für eine Reise, die nach meinem Gefühl ruhig noch etwas länger hätte dauern dürfen.

Mittwoch, 10. August 2011

Freitag, 5. August 2011

Frangipani


Am Pool lümmeln und Blümchen fotografieren

Mittwoch, 3. August 2011

Dienstag, 2. August 2011

Wrack

Das sind hier zwar die kleinen Sundainseln und auf einer Karte sehen sie winzig aus gegen Borneo oder Sumatra, trotzdem ist es eine stramme sechsundreißigstündige Tour, wieder nach Bali zurück zu kommen. Immer zwischen Fähre und Bus pendelnd, geht es die Nacht über durch Sumbawa. Im Abendlicht sieht es dort sehr schön und pitoresk aus, was aber auch recht arm bedeutet. Ich habe mich dagegen entschieden, weiter durch Flores zu kurven, da hier die Straßen noch schlimmer und die Touren endlos sind. Lieber noch etwas ausspannen. Außerdem möchte ich soviele Tage wie möglich in Indonesien herausquetschen und muss dafür das Visum verlängern. Das geht nur auf Bali. Gegen Abend des zweiten Tages sind wir wieder in Padangbai.
Ich habe keine Lust noch weiter zu touren und suche mir eine Unterkunft. Ich werde per Moped zu einem etwas entfernteren Haus gebracht, prima Zimmer, sauber, ruhig, kleiner Swimmingpool in einem balinesischen offenen Hof, Palmen und das Moped darf ich benutzen, wenn ich in den Ort will. Kostenpunkt zehn Euro. Man kann auf Bali viel Glück mit der Unterkunft haben.
Padangbai selbst ist allerdings nicht so der Brüller, es gibt einen winzigen Strand zum Schnocheln mit dem hochtrabenden Namen Blue Lagoon, der rührt wahrscheinlich von einem Tag, als besonders viele blaue Mülltüten angeschwemmt wurden. Ziemlich wellig dort und viel Abfall. Hindert allerdings die vielen typischen Familienurlauber nicht am herumpaddeln und sich auf dem kleinen Strandstück zu drängeln. Abends quatsche ich mit einem Tauchlehrer, er meint unter Wasser wäre es hier recht gut. Na vielleicht später mal. Ich bin neugieriger auf das Wrack aus dem zweiten Weltkrieg an der Ostküste in Tulamben und mache mich per Bemo, also ortsüblichem Minibus dorthin auf. Eine günstige Art voranzukommen, wenn man genug Bahasa kann um die Preise herunterzuhandeln. Allerdings muss man sich auf ein paar Schleifen einstellen, weil zum Beispiel ein fertig aufgespießtes Spanferkel irgendwo abgeholt und nach irgendwo anders gebracht werden muss. Macht aber nix, weil man so schön nah ans Dorfleben kommt und nebenbei die Aussicht auf Reisfelder, Palmen, das Meer, die ganze Schönheit Balis genießen kann. Die Ostseite Balis ist trockener und viel ist hier nicht los. Nur Tulamben ist ein Dorf, das zur Tauchbasis umgerüstet wurde. In jeder Garage steht ein Kompressor, werden Flaschen mit Druckluft befüllt. Alles, weil damals ein japanisches U-Boot einen Frachter angeschossen hatte, dieser sich auf den Strand rettete und später bei einem Ausbrauch des Gunung Agung, der hier das Panorama beherrscht, handliche fünfzig Meter ins Meer geschoben wurde.
Ich finde ein prima Zimmer und natürlich bietet der Vermieter auch Tauchen an. Das ist hier alles etwas rustikaler, die Flaschen und die Kunden werden per Moped zum jeweiligen Einstieg am Strand gefahren und dann kann man zusehen, wie man mit dem schweren Krempel über die Kieselsteine stolpert. Es ist unschlagbar billig, wofür man wiederrum in Kauf nimmt, dass der Computer des Diveguides (Modell Cousteau-antik) an einem Schnürsenkel hängt, weil das Armband weggerottet ist. Auch seine Tauchgangsplanung ist etwas eigenartig. Er ist nicht gerne so lange im Wasser weil er dann friert und geht daher sofort möglichst tief und bleibt dort, damit dem Kunden schneller die Luft ausgeht und man wieder raus kann. Wunderbarerweise bin ich hier viel besser mit dem Luftverbrauch und das führt uns leicht mal an die Grenzen unserer Bottomtime. (Wem sich die taucherische Logik nicht ganz erschließt - ich erklär das gerne nochmal ausführlich im Detail). Während mein Tauchcomputer schon aufgeregt von der Deko piepst, findet Cousteau, dass wir ruhig noch bleiben können.
Lohnend ist es allemal. Obwohl hier Taucherrushhour ist wenns durchs Wrack geht, gibt es erstaunlich viel Fisch, große Exemplare von Sweetlips, sehr große von Zackenbarschen, einen ebensolchen Barracuda, eine Menge buntes Kleinzeug, einen Leaffisch im immer gleichen Versteck und dazu die bizarren Strukturen des Wracks, bewachsen mit Schwämmen und Korallen und kaum noch als Schiff zu erkennen. Auch die umliegenden Divesites haben einiges zu bieten, eine Wall und einen Korallengarten, Putzergarnelen, eine prächtige Muräne in ein paar Autoreifen, bizarre Seewalzen und kleine Rochen.
Weil hier alles, was irgendwann mal einen Tauchschein gemacht hat, ins Wasser geschmissen wird, geht es lustig zu. Leute rudern wild mit den Armen um durchs Wrack zu manövrieren, signalisieren so hingebungsvoll dem Buddy, dass sie Kopf voran an den nächsten Eisenträger bumsen. Ich bin Wolf dankbar für unsere Übungen (ich sach nur "puke performance buoyancy"), hier komme ich damit auch durch die kleinen Lücken im ehemaligen Maschinenraum. Ein Pärchen ohne Tauchschein wird auch mitgenommen, ich höre mir eine Weile schaudernd an, wie ein indonesischer Divemaster mit nicht sattelfestem Englisch den beiden Franzosen mit noch schlingernderem Englischverständnis die Grundbegriffe des Tauchens erklärt. "Wie, du verstehst nicht, wie man die Maske ausbläst, egal, die ist eh ganz gut, die bleibt dicht". Ich freue mich, sie später wiederzusehen und rate ihnen, mal den Tauchschein bei einem französischsprachigen Lehrer zu machen. Sie sehen nicht ganz ein, warum, sie gehen doch so selten mal tauchen.
Fazit: schön da, aber man sollte selbst wissen, was man tut.
Inzwischen bin ich nach Sanur gefahren, hier um die Ecke ist das Immigrasi Office, man muss es nur erstmal finden. Dann den nötigen Papierkram beschaffen, Passkopie, Flugbestätigung, Formulare ausfüllen, in sieben Tagen wiederkommen zum Bezahlen und am Achten darf mans abholen. Hoffentlich klappt das alles. Ansonsten ist hier Rimini, muss ich nicht länger als nötig haben, daher werde ich mir ein Moped besorgen und durch die Gegend gondeln.

Sonntag, 31. Juli 2011

Nusa Tengara

Die Insel der fliegenden Hunde

Hafen Labuan Bajo

auf Fußball brauch ich auch nicht zu verzichten

Die Mädchen finden das natürlich eher doof und fahren lieber Rad

Lastkahn im Hafen von Labuan Bajo

Wasserbüffelverladung

Gunung Agung, der Vulkan von Bali

Dienstag, 26. Juli 2011

Komm mal ran
Der Dampfer

Däne auf dem Weg ins Wasser

Kuschelechse

Von Fischen und Drachen

Da sitze ich auf der Terrasse des Treehouse über dem Hafen von Labuan Bajo, einem staubigen Fischernest an der Westküste von Flores. Der überschüssige Reststickstoff spukt nach drei Tagen Tauchen im Blut, die Bedienungen lächeln nett, liefern aber einen erbärmlichen Service. Hergekommen bin auf einem tuckernden Fischerboot, zum Touristenfang umgebaut. Von Lomboks Ostküste entlang Sumbawas mit Stops bei den berühmten Drachen Komodos und Rincas und an einigen einsamen Stränden. Nimm achtzehn Leute verschiedener Nationen und steck sie zusammen auf ein kleines Boot mit Matratzenlager an Deck und du bekommst ein Blutbad oder eine prima Truppe, letzteres passierte auf diesem Trip. Angezickt hat sich höchstens mal das Pärchen auf Hochzeitsreise. Sonst gabs Lagerfeueratmosphäre mit Beatlesliedern zur Ukulele, Planschen im Wasserfall, Volleyball im seichten Wasser, Schnorcheln, simples leckeres Essen, das wir schön gemeinschaftlich bei leichtem Seegang an die Fische weiterverfütterten und entpannt trödeliges Decksleben. Die Komodowarane lagen brav und faul gleich bei den Rangerhütten herum und man hätte sich die Wanderungen über die ausgetrockneten Inseln auch sparen können. Die urzeitlichen Freunde haben eine etwas perfide Jagdmethode um auch größere Tiere bis hin zum Wasserbüffel zu erjagen: Sie beißen einmal zu und ihr von der letzten Fleischmahlzeit mit Bakterien und Keimen versetzter Speichel sorgt für Infektionen an denen das Opfer langsam zu Grunde geht. Über mehrere Tage folgt der Waran mit seinem guten Geruchssinn um sich letztlich den Bauch vollzuschlagen. Sie sind für Wechselwarme recht verfressen und futtern sich einmal im Monat bis fast zum eigenen Körpergewicht voll. Sonst gibt es hier kleine Flugechsen, die, einmal vom Guide gefangen, gnadenlos von Touri zu Touri weitergereicht und fotografiert werden.
Die besondere Lage des Seegebietes des Komodonationalparks macht es zu einem Unterwasserparadies. Im Süden der fünftausend Meter tiefe indische Ozean, im Norden die tausendfünfhundert Meter tiefe Floressee und dazwischen die mit höchstens zweihundert Meter Wassertiefe recht flache Inselwelt, durch deren Kanäle die Gezeiten das kalte und nahrungsreiche Wasser drücken. Das resultiert in starken und tückischen Strömungen, manchmal dreht es das Boot fast auf der Stelle, aber mit dem planktonreichen Wasser kommen die Mantas, ernähren sich die vielen kleinen Rifffische und von ihnen die größeren. Jeder, der hier taucht, zählt es zu den besten Tauchgebieten. Und vielleicht wird es hier die letzten Korallenriffe geben, wenn sie überall sonst vom Klimawandel platt gemacht wurden, weil sie so effizient vom indischen Ozean gekühlt werden.
Allerdings sollte man gute Diveguides haben, die die Gegend kennen. Wir tauchen einmal im Strömungsschatten eines Felsens, an den Rändern sieht an die Fische zitternd und aufrecht in der Strömung stehen, das heisst, hier gehts rapide abwärts. Wird man davon erfasst, geht es erstmal sechzig Meter runter und man ist schnell hundert Kilometer weiter und muss froh sein, wenn man es an die Gestade einer drachenbewohnten Insel schafft. Bei einem anderen Tauchgang zwischen zwei nahen Inseln wurden wir gleich nach dem Reinhüpfen von der Strömung erfasst und mussten uns hart paddelnd ans Riff heranwursteln um etwas Schutz zu bekommen. Man hängt dann zum Ausruhen wie Superman an einem Felsen und sieht zu, dass es einem nicht die Maske vom Gesicht drückt. Fünf Knoten zeigte das GPS des Bootes später. Dafür ist das Korallen- und Fischleben hier absolut überwältigend. Die Stars sind die Mantas, wir haben an jedem Tag welche gesehen, die einzeln oder in kleinen Gruppen an uns vorbeiflatterten. Toll auch, wie unterschiedlich die verschiedenen Divesites sind, es gibt Wände, Abhänge, Korallengärten und Riffe, Geröllebenen mit bizarrem Kleinzeug. Kein Wunder, dass hierher viele reiche Leute an Bord luxuriöser Liveabords kommen. Dafür bauen die Bootsbauer in Sulawesi die traditionellen Boote mit schöner Teak- und Mahagoniausstattung und sägen die letzten Wälder ab.

Donnerstag, 14. Juli 2011

Lebenszeichen

Hallo Blog, bist du etwas vernachlässigt? Nun, zunächst habe ich jetzt wieder Terry zur Gesellschaft, da schreibt man nicht so gerne, zum anderen gibt es schlechte Nachrichten aus der Heimat, finanzieller Natur. Eventuell ist die Reise schneller vorbei als geplant.
Inzwischen sind wir in Kathmandu und wenn es einer bestimmten Niederschlagsmenge bedarf, um Regen als Monsun einzustufen, so erfüllt das Gepladder vor dem Fenster diese Anforderung mühelos. Zeit, zurückzudenken.
Von Chandigarh führt eine gerade, mehrspurige Straße fast wie eine Autobahn nach Delhi. Es wäre ein langweiliger Ritt, wäre man nicht mit Indern unterwegs. Man kann sagen, dass sie eigentlich, mit einigen beeindruckenden Ausnahmen, nicht agressiv fahren. Sie fahren bescheuert! Dabei bleiben sie jedoch gelassen. Und schubsen dich voller Langmut von der Fahrbahn, schneiden, blockieren, hupen. Sie halten unvermittelt auf offener Strecke, weil sie einen Getränkestand entdeckt haben, gerne zu mehreren nebeneinander, kommen dir als Geisterfahrer entgegen und sind dabei durchaus frei in der Spurwahl und legen generell einen Mangel an Mit- und Vorausdenken an den Tag, der jeden berliner Verkehrsteilnehmer vor Neid erblassen lässt. Vorfahrtsregeln scheint es eher nicht zu geben, wer eine Lücke im fließenden Verkehr entdeckt, groß genug um seine Schnauze hineinzurammen, der wird das tun, um sich dann in weiter Schleife über sämtliche Fahrbahnen in den Verkehr einzugliedern. Sollen die hinten doch sehen, wie sie drum herum kommen. Konsequenterweise haben viele Fahrzeuge die Rückspiegel angeklappt oder gleich abgeschraubt. Man will doch gar nicht sehen, wie knapp das wieder war. Trotzdem kommt man vergleichsweise flott nach Delhi.

Und hier setzte die Schreibunlust für die letzten 3 Wochen wieder ein - da hilft nur eine Radikalkur. Die gabs heute: Kuta, Bali, Badeparadies der Kängurus. Nach gut 24 Stunden unterwegs von Kathmandu treibt mich der Hunger, einer Lonely Planet Empfehlung zu folgen. Aufs Handy habe ich mir zum Lesen die neueste Ausgabe der Zeit gepackt und der Kontrast aus feinsinnig intellektuellem Feuilleton und der Umgebung eines australischen Wasserlochs dehnt das Rezeptionsvermögen so über alle Maße, dass man nur über das Ventil des Beschreibens den Verstand behalten kann: Die lieblos zusammengenagelte Riesenbude ist weiß gestrichen, seit sich Energiesparlampen durchgesetzt haben, ist die Beleuchtung alles andere als anheimelnd, kühl neonröhrig, und um den Effekt zu verstärken, hat man großzügig Dosen mit kaltblauer Sprühfarbe zur Explosion gebracht. Einheimische Mädchen in kurzen Röcken sind nett zu älteren Männern. Es gibt auch nette ältere Damen, die sich um jüngere Männer kümmern würden. Im Neonlicht schwitzt die teils krebsrote, teils käsige, Schafszüchter- und Hey-Mate Besucherschaft samt Familienanhang. Alle gewandet in Shorts, Riemensandalen und armlose Shirts deren große Ausschnitte gute Belüftung von schwitzenden Achsel- und Brusthaarbüscheln zulassen. Im Schlepptau die blondierte Gattin sowie das Jungvieh, der Jungbulle, über beide Arme tätowiert hat schwarz lackierte Zehennägel und auch die restliche Familie glänzt untenrum gruftimäßig schwarz aus der Treckingadilette. Da wars wohl nach dem Nachmittagsbierchen etwas langweilig. Lautstarke Begrüßung als gälte es alleine durch Gebrüll eine Kuh umzuschmeißen. Dass der Lonely Planet diese Bude toll findet sagt so viel mehr über seine Autoren als über die Restauration. Und ich habe die Hoffnung, dass ich jetzt genug gesehen habe, um mir Australien ein für alle Mal schenken zu können.
Eigentlich wollte ich jetzt in China sein, der Ärger zu Hause verhindert das und verkürzt die Reise. Da verbringe ich den Rest doch lieber am Meer und in der Sonne. Hier ist derzeit die einzige monsunfreie Zone Asiens. Unten am Strand dagegen, dem bekannten mit den tollen Surfwellen ist niemand. Diese merkwürdige Jugend hilft ja lieber der älteren Generation, Bierdosen in Leichenhallen zu killen.

Sonst so, im Schnelldurchlauf: Agra, das Taj Mahal, hübsch. Inder fünfzig Rupies Eintritt, Ausländer siebenhundertfünfzig. Der Duty-Free Delhi: einladend. Die Taxifahrt dort hin: also eigentlich müsste Force India die Formel Eins aufrollen, sie müssten nur mal die eigenen Talente ans Steuer lassen. Nepal, hübsch. Es gibt Nashörner, weniger als vor der Zeit als die Maoisten für Gemetzel im Nationalpark sorgten und auch der Tiger hat es rechtzeitig ins Gebüsch geschafft. Regen gibt es in allen Geschmacksrichtungen und Dichten. Besonders schön, während man auf einem Elefanten durchs Gestrüpp reitet. Die Holzschnitzereien an den Tempeln Kathmandus sind so eine Art mittelalterliches Internet, das ja auch zu weiten Teilen aus XXX-Inhalten besteht. Der Nepalese ist umgänglicher als der starrende Inder, neigt dafür in Kaufverhandlungen zu unverschämtesten Mondpreisen. Kulinarisch ist Kathmandu eine Wolke, besonders zu empfehlen: Killroys, Cuisine mit anständigen Weinen zu Imbisspreisen. Es gibt Bars mit Tanz und Duschen, und gar nicht so wenige. Hm. Terry ist via Moskau auf dem Heimweg.

Sonntag, 12. Juni 2011

Hippie Club Med: Dharamsala

Darf ich dir aus der Hand lesen mein Freund, die Chakren öffnen, die Energieströme regulieren; welcher Reiki-Richtung folgst du und wie war die morgendliche Yogastunde? Darf ich dir einen Kurs in ganzheitlichem Flamenco anbieten, möchtest du dein inneres Selbst im Bauchtanz erkunden, mit Ayuvedaöl herumpanschen oder einfach nur bunte Bändchen knüppern? Osho ist gegenwärtig, die Heilung aller Gebrechen durch Powermeditation ist nah, Yoga wird in jeder gewünschten Geschmacksrichtung angeboten. Oder man wirbelt stundenlang zwei Strippen herum um als Dekoration für Goaparties zu dienen. Wenn man die Dinger anzündet, erntet man Ahs und Ohs und kann sich damit die Dreadlocks vom Kopf sengen.
Wollte man alle hier angebotenen Kurse studieren, wäre man alt und hätte ein Vermögen versemmelt. Natürlich gibt es ein jüdisches Zentrum wohin einige Orthodoxe die versammelte, aber meist zu verkommene, israelische Jugend einladen. Dafür finden sich auf der Speisekarte sämtliche originalen Spezialitäten Israels, Shnitzel zum Beispiel, man lässt vom guten deutschen Fernfahrermenü das C weg und gibt dafür Humus dazu. Roy ernährt sich im Prinzip von nichts anderem. Wir haben uns gut verstanden, waren wir doch die beiden unesoterischten Gestalten in diesem Hippiehangout, verspotteten unsere Freunde, wenn sie von der Wirbel- oder Knüpperstunde kamen und verquatschten die Zeit während sich Sonne und Regenschauer abwechselten.
Dieser Hippiefreizeitpark findet in Bagsu statt, einem Tal kurz hinter Mc Leod Ganj, das vor vierzehn Jahren grün und einsam war, nun im unteren Teil mit dicken Hotels für Inder verschandelt ist, während sich weiter hinauf Travellerunterkunft an Hippierestaurant reiht. Man findet schon die wenigen Einheimischen sympathisch, die nicht clever genug sind, ihren Ziegenstall in Buddhabar umzubenennen und mit ein paar Tüchern und Kissen zum Kifferparadies zu dekorieren.
Nach der Zeit im echten Indien, die doch zuweilen recht rauh ist, genieße ich den Aufenthalt in diesem weichgespülten Touristenparadies. Die Bedienung ist freundlich, das Essen gut, das Zimmer neu, sauber und bezahlbar. Natürlich kann ich den Kursangeboten nicht ganz widerstehen, versuche mich einen Tag als Silberschmied und übe Flöte. Letzteres eine ziemliche Herausforderung, nicht nur ob meiner zementierten Unmusikalität, sondern weil der sechslöcherige Bambusstengel erstaunliche Möglichkeiten bietet, die man aber erst einmal unter Kontrolle bekommen muss.
Wandern kann man auf Ziegenpfaden an den steilen Hängen. Es gibt hier einen Bären, vor ein paar Tagen hat er eine Frau angegriffen, gerne verwüstet er auch die Felder. Leider habe ich ihn nicht finden können um mich mit ihm über die Ausbreitung der Touristenindustrie zu unterhalten.
Das Motorrad bekommt eine Rundumüberholung, dabei erweist sich in vollem Umfang, was für ein verlogener Mistkerl der Verkäufer in Delhi ist, der alles unter der Oberfläche als neu und renoviert versprach, was sich nun als alt und marode herausstellt. Nun, Motorrad fahren ist die schönste Art, Indien zu bereisen, die billigste sicherlich nicht.
Der Dalai Lama ist derzeit anwesend und hält einen Vortrag in einer großen Klosteranlage. In die Halle, in der er spricht, kommt man nicht mehr hinein, aber draußen gibt es Videoübertragungen und per Radio kann man eine englische Simultanübersetzung empfangen. Während die meisten Touristen nur auf ein Foto lauern während  dieser buddhistische Papst vorbeikommt, lohnt es sich, dem Vortrag zuzuhören. Tibeter haben durchaus Spaß an verzwickter Theologie. Am beeindruckendsten ist die tiefe Verehrung, mit der ihm die Tibeter begegnen.
Einen Ausflug mit dem Motorrad habe ich gemacht, ein halb verfallenes Fort gab es zu besichtigen. Während Inder fünf Rupien Eintritt zahlen werden von Ausländern hundert aufgerufen. Das wäre doch einmal ein Modell für die berliner Museen: Deutsche fünf Euro, alle anderen hundert. Ich habe gegen diese offensichtliche Ausländerdiskriminierung rebelliert und mir so erspart, in der Mittagshitze über den Steinhügel zu klettern.

In den letzten beiden Tagen bin ich nach Delhi gefahren, um Terry in Empfang zu nehmen, die zwischen zwei Projekten zu Besuch kommt. Zwischenstop in Chandigarh, von Le Corbusier entworfener Musterstadt im Quadratraster. Gottes Werk und Teufes Beitrag gibt es schon als Titel eines von mir nicht geschätzten Schriftstellers, trifft hier aber besonders schön zu: während das Raster eigentlich für einfache Orientierung sorgt, ist die Beschriftung indisch, fehlerhaft und unklar und so irrt man am Anfang etwas herum in diesem Labyrinth aus Sektorennummern. Dazu liegt an jeder Kreuzung ein großer Kreisverkehr und Kreisverkehr mit Indern ist eine besondere Form des russischen Roulettes. Das Gerichtsgebäude, auch von Corbu, in Sektor eins gelegen, ist dagegen eine ausgesprochene architektonische Freude. Ein überaus würdevoller und eleganter Sikh überreicht mir seine Karte, er ist Menschenrechtsanwalt und sollte ich jemals meine Menschenrechte in Indien verletzt sehen, möge ich mich doch bitte an ihn wenden.
Schaun wir mal.

Montag, 6. Juni 2011

Markenpiraterie

zwoter Versuch


Sonntag, 5. Juni 2011

Der Dalai Lama

sieht also in Wirklichkeit genauso aus wie auf den Fotos.


Mittwoch, 25. Mai 2011

Schön und feucht

Auf gehts wieder, ich habe mir diesmal auf der Karte eine nett aussehende, schlängelige Nebenstraße ausgeguckt, die mich weiter gen Norden nach Mandi bringen soll. Man könnte die Hauptstraße nehmen, aber da wäre viel Verkehr, wenig Landschaft und hässliche Gebäude auf beiden Seiten.
Diese Straße ist dagegen ein Volltreffer, eine der schönsten Strecken bisher. Dazu in gutem Zustand, schmal, kurvig und durch schöne Gebirgslandschaft. Man muss sich ostwärts aus Shimlas Dauerstau schaufeln, dann biegt man in Richtung Mashobra ab. Zunächst geht es langsam abwärts entlang einem mit Kiefern bestandenen Berghang mit schönem Blick in die Täler. Der wird später spektakulärer, als ein breiter Gebirgsfluss braune Wassermassen talwärts wälzt. Es geht bis zu ihm hinunter, dann klettert man durch Schluchten und Täler wieder aufwärts. Das Benzin explodiert gleichmäßig in den dreihundertfünfzig Kubikzentimetern, also etwa einer Coladose, und zieht mich und den Eisenhaufen die Hänge hinauf. Später gibt es Waldtäler wie im Erzgebirge, Felswände an die die Straße geklebt ist, große Findlinge und nette Häuschen zwischen terrassierten Feldern. Ich würde gerne mehr trödeln, aber es brauen sich Gewitterwolken zusammen und es rumpelt vernehmlich. Prompt fängt es vierzig Kilomter vor Mandi hoch oben in den Bergen mächtig an zu tröpfeln. Ich halte unter einer großen Kiefer, Zeit mich in meinen indischen Regenpyjama in bordeaux-schwarzem Pepita zu zwängen. Der Reißverschluss überlebt seine erste Benutzung nicht. Das Material ist sogar wasserdicht, die Nähte dagegen sind reine Flutkanäle die die Ströme schön in die Sitzpartie leiten. Meine Schuhe sind bequem, gut zum Wandern, rutschfest, eigentlich prima, wasserdicht sind sie nicht. Sie saugen begierig das erfrischende Nass auf und bewässern großzügig meine Zehen. Immerhin gibt mir der Gummianzug die Illusion, geschützt zu sein und anders als die wenigen Inder, die wie üblich in Hemd und gebügelter Hose auf ihren Motorrädern sitzen und nun Schutz suchen, rolle ich weiter den Berg hinunter und ziemlich bald aus dem Schauer heraus. Die einzige Funktion, die der Anzug hat, ist zu verhindern, dass meine Jeans zu schnell wieder trocknet. Gerade als ich überlege, den Kram wieder auszuziehen, kommt der nächste Schauer, diesmal mit Hagel. Schnell bilden sich entlang der Straße Bäche, die diese alle zwanzig Meter überqueren, als könnten sie sich nicht entscheiden, auf welcher Seite sie den Asphalt unterspülen wollen. Der Vorderreifen schaufelt dieses Wasser großzügig in meine Schuhe. Bis es flacher wird, hat sich das ganze zu einem veritablen Wolkenbruch ausgewachsen. Ich hocke fluchend auf der Kiste und wünsche mir meine Motorradregenhose statt dieser Vollbewässerung im Schritt. Mit Erreichen der Hauptstraße unten im Tal, die ich für die letzten Kilomter brauche, wird es trocken, der Staub und die Sonne regieren wie eh und je. Bis ich in Mandi ankomme, ist das Meiste wieder trocken, nur die Klamotten im Rucksack sind etwas feucht.
Mandi ist ein olles Kaff, ein Polizist plustert sich auf, weil ich mich auf das Moped schwinge, um es einen Meter weiter zu schieben, wo denn mein Helm sei. Im Restaurant, dem empfohlen Besten der Stadt: no Sir, no Mangoshake, dabei steht er auf der mageren Karte und die Stadt quillt über vor Mangoverkäufern in jeder Straße. Vielleicht fehlt mir einfach etwas die Geduld heute, ich bin reichlich müde. Letzte Nacht habe ich ewig im Internet gewerkelt, um einigen vorinstallierten Mist auf dem Telefon loszuwerden. Jetzt werde ich nicht mehr täglich über das Leben der Bollywoodstars informiert. Sicherlich eine ganz spaßige Sache, wenn man genug Bandbreite hat; tuckere ich jedoch durch einsame Himalayatäler, möchte ich, dass sich jedes dort herumfliegende Byte in meine Googlemap fügt. Andererseits schon wieder pervers, dass mich Telefon und email bis dort verfolgen, man bezahlt es mit Masten auf jedem zweiten Berghang.

Montag, 23. Mai 2011

Staub

Ein paar Tage ging nichts mit Tippen: Das Netzteil des Laptops hat vor dem giftigen Strom, den einige Hilfsgeneratoren hier bei Stromausfall erzeugen, die Segel gestrichen. Auch sonst lief in der Zwischenzeit nicht alles nach Plan, wie auch, ist ja Indien. Die Tour von Rishikesh nach Mussoorie war insofern bemerkenswert, als es auch mal geradeaus ging, das bin ich gar nicht mehr gewohnt. Ein Stück führt die Straße durch die Ebene bis sie recht unvermittelt auf den ersten Bergkamm und damit auf rund zweitausend Meter klettert. Ein schöne Aussicht hat man von dort wenn es nicht zu dunstig ist. Die kam am Morgen, nachdem es heftig geregnet hatte. Man konnte auf der einen Seite den Ganges sehen, auf der anderen frisch verschneite Berggipfel in der Ferne. Der Regenguss liess mich die Ausrüstung aufstocken, eine Gummihose, Handschuhe und einen Schal. Die nächsten Monate werden in kühlere Gefilde führen. Entsprechend habe ich mir einen veritablen Schnupfen zugelegt. Nicht schön, da es hier keine Taschentücher, sondern nur die dünnen Papierservietten gibt, die sofort explodieren.
Von Mussoorie geht es zunächst in Serpentinen wieder hinunter in ein wildes Flusstal. Von dort habe ich mir eine schöne Strecke auf der Karte ausgeguckt, die mich direkt nach Norden durch einsames Bergland bringen sollte. Nach einem längeren Verhauer, der mir dank GPS im indischen Handy klar wurde, finde ich diese Straße. Ein wenig abenteuerlich mutet sie schon an; bei uns wäre es eher ein geteerter Feldweg, der sich Berghang um Berghang hinaufwindet. Die Fahrt, jetzt wieder in strahlendem Sonnenschein ist wunderschön. Die terrassierten Felder an den umliegenden Hängen faszinieren mich immer wieder; wo es nicht gerade senkrecht hinunter geht, wird dort noch Gerste angebaut. Neben und über mir segelen im Hangaufwind Geier und Falken während ich mich der Baumgrenze nähre. In kleinen Siedlungen werde ich misstrauisch beäugt, wenn ich jedoch nach meinem nächsten Ziel frage, wird mir der richtige Weg gezeigt. Wenn niemand in der Nähe ist, muss ich an Abzweigen raten, sieht der Bodenbelag deutlich neuer oder oller aus als die bisherige Straße, nehme ich ihn nicht. So erklettere ich einen weiteren der parallel verlaufenden, hier jeweils um zweieinhalbtausend Meter hohen, Vorhimalayakämme. In einem Dorf, in dem ich Wasser und Kekse kaufe, erklärt man mir, dass ich nicht mehr weit kommen werde, militärisches Sperrgebiet. Tatsächlich, fünf Kilometer weiter werde ich durchaus freundlich von einem uniformierten Posten aufgehalten. Ich soll anhalten, er spricht in ein kleines Feldtelefon. Rundherum liegen flache typische Armeegebäude. Die Männer, wie auch die Wache, die hier herumsitzen oder Karom spielen, sind deutlich sino-tibetischen Schlags. Sie sind nett und einladend, man macht mir zunächst Hoffnung, dass sie nur meinen Pass kontrollieren und dann dürfte ich weiter. Leider sieht das der Kommandierende am anderen Ende der Telefonleitung, der sich alle halbe Stunde wieder meldet, letztlich anders: ich darf nicht weiter.
Es ist Nachmittag geworden, hinunter schaffe ich es nicht mehr, zumal ich dann erst aus diesem wilden Flusstal herausfinden muss. In einem der Dörfer auf dem Rückweg gibt es ein hotelähnliches Gebäude. Es wird zwar renoviert, allenthalben liegt abgeklopfter Putz, aber man macht mir ein Zimmer zurecht. Mir bleibt genug Abendsonne für einen Spaziergang, ich schaue beim Ernten mit der Handsichel zu, bewundere die großen Getreidebündel, die hauptsächlich Frauen durch die Gegend schleppen und freue mich an der Aussicht und dem klaren Licht hier oben. Der Enfield hat der Weg ganz schön zugesetzt, sie ölt aus den Stoßdämpfern. Am nächsten Morgen ist sie unwillig, mag nicht recht anspringen, ist ja auch kalt. Das ist eine der Nervenproben in Indien: während man an der Kiste fummelt, wird man unverwandt von einer Gruppe Einheimischer angestarrt, völlig regungslos gucken sie einfach nur, wie sich der Tourist da anstellt.
Als die Mühle läuft, vernichte ich die ganzen schönen Höhenmeter wieder. Ich muss nun eine weite Schleife nach Süden fahren, bis ich nach Shimla komme. Zunächst den Feldweg hinunter, dann mit den üblichen Erdrutschen versehen, die schlängelige Straße aus dem Flusstal hinaus, durch die heiße und staubige Ebene weiter nach Osten, bis es endlich wieder in hügeligeres Gebiet geht, das den Beginn des erneuten Anstiegs in die Berge markiert. Abgesehen von langgezogenen Ortschaften, in den man sich schön an verwirrend markierten Gabelungen verfahren kann, komme ich durch ein Sumpfgebiet mit reichlich Vögeln, später durch einen größeren Wald mit Affenhorden. Dann geht es wieder Serpentinen hinauf. Ist die Straße zunächst noch okay, wenn auch rauh, so wirkt sie bald wie zerhackt und jedes Puzzleteil gibt dir einen Tritt in den ohnehin wunden Hintern. Hier wäre dringender Sanierungsbedarf. Und so sieht es auch die Regierung von Himachal Pradesh, in das ich nun gewechselt bin, die Straße verwandelt sich in eine lange lange Baustelle. Das ist jetzt wirklich eine Höllentour aus zerfahrenen Resten der Straße, Schotter, Staub mit tiefen Fahrrinnen und immer wieder anderen Autos und Lastern, die mir den Dreck um die Ohren wirbeln. Endlos geht es durch die Berge, kein Hotel, kaum mal ein Dorf. Und ich habe seit heute morgen um neun schon einige Kilometer gemacht. Ich schwöre mir, beim allerersten Hotel anzuhalten, das kommt endlich in einem kleinen Kaff, noch ungefähr sechzig Kilomter sind es bis Shimla, am späten Nachmittag. Es wird meine bisher teuerste Übernachtung, immerhin gibt es einen Fernseher, etwas zu Essen bekomme ich aufs Zimmer. Das ist riesig, entsprechend haben eine Menge Mücken Platz darin und abends schaut eine Maus mit mir Kricket. Immerhin gibt es im Ort eine Liquorstore für ein Gutenachtbier.
Ab hier bessert sich die Straße schlagartig. Die Ganster an der Rezeption haben mir erzählt, dass es so mies weitergeht, damit ich ja da bleibe. So ist die Tour nach Shimla am nächsten Morgen ein Genuss. Der Enfield sieht man die Tour an: sie blutet aus sämtlichen Stoßdämpfern, der Staub hängt überall, wird zu Matsche, wo die Dichtungen das Öl ausschwitzen. Die letzten Kilometer nach Shimla hinauf, das schön auf einem Bergkamm hängt, sind ein einziger Stau, auch durch die Straßen in der Stadt wird man vom Hintermann geschoben. Kein Hotel hat ein Zimmer frei. Es ist die beliebteste Hillstation, die alte Sommerhauptstadt der Engländer. Ich bin kurz davor weiterzufahren, hätte ich nicht die Hoffnung, hier einen Ersatz für das kaputte Netzteil finden zu können. Im letzten Hotel erbarmt man sich, ich könnte mir da noch ein Singlezimmer (in Indien gibt es nur Doubles) anschauen. Nun, es ist ein winziges Loch, die Glühbirne steckt in einer Fassung, deren Draht um einen Gaderobenhaken gewickelt ist. Die Enden des Drahtes stecken direkt in der Steckdose. Warmes Wasser? Wir können dir einen Eimer bringen, denn aus der Wand kommt eh nix. Egal, es gibt nicht anderes, ich nehme es.
Shimla selbst erweist sich als ausgesprochen schön, jedenfalls oben auf dem Kamm, der für Verkehr gesperrt ist und auf dem diverse altenglische Kolonialgebäude stehen. Das ist dort alles großzügig angelegt, eine Kirche mit schönen Fenstern und Gedenktafeln für koloniale Gestorbene gibt es, jede Menge Geschäfte und Restaurants. Die erste Stadt in Indien, die eine entspannte Atmosphäre ausstrahlt. Natürlich ist Unabhängigkeit eine großartige Angelegenheit, aber man ist versucht zu sagen, ach, hätten die Engländer mal hier noch fünfzig Jahre weitermachen können, wie nett könnte Indien dann sein. Tatsächlich finde ich hier ein passendes Netzteil (sonst gäbs den Text ja nicht), shoppe sonst noch ein wenig. Schließlich muss ich mit dem Moped nicht so aufs Gepäck achten. Beim Abendessen unterhalte ich mich mit einem hier ansässigen Anwalt, der mir Tips fürs Hinterland gibt. Dann ziehe ich mich in meine Schuhschachtel zurück, ich bin gespannt, wie ich hier schlafen werde.

Straßen, Pisten, Promenaden

einsame Täler


Kulisse, während man versucht, das Moped anzuschmeissen

Shimla

Freitag, 20. Mai 2011

White Album

Leider gings mir dort oben nicht so gut, die Verdauung streikte, wollte den Papps aus Bohnen, Linsen, Reis, Erbsen und Butter nicht mehr verarbeiten. Das lag mir dann alles im Magen herum. Und an Kälte bin ich auch nicht mehr gewöhnt, entsprechend setzten mir die eisigen Temperaturen zu. Dazu war das Dorf ein einziges Gewimmel, Gehupe und Gequalme aus hunderten von Auspüffen, der Besitzer der Unterkunft, selbst für indische Verhältnisse, reichlich unhöflich.
Ich wollte wieder ins Warme. Das Motorrad rollte also wieder den Berg hinunter, einen Abstecher auf reichlich staubiger und mieser Straße habe ich gemacht um wenigstens einen Blick auf den Nanda Devi, schön weiß und hinter anderen Bergen versteckt, zu werfen.
So übel ist die Straße auch den Weg zurück nach Karnaprayag, Landslides, Wasser, Matsch, Staub. Dazu Inder, die mich fröhlich von der Straße drängen, zumal wenn sie sich ein teures ausländisches SUV leisten können. Den nächsten Tag geht es weiter flussabwärts bis Rishikesh, Hippietraum, heilige Stadt am Ganges und Yogamekka. Die Beatles waren schon hier.
Etwas Freakspotting, man setzt sich in die German Bakery an der Hängebrücke und sieht dem vorbeiziehenden Volk zu. So viele Freaks gibt es gar nicht, das Meiste sind indische Touristen die sich fotografieren und Krach machen. Besonders berührt ob der Heiligkeit des Ortes und Flusses scheinen sie nicht. Souvenierläden mit handgewebten Wollschals aus hundert Prozent Synthetik gibt es genug, Schmuckläden, Messingnippes. Und natürlich eine Yogaschule an der anderen, große Aschrams in denen die Weisheit Indiens erworben wird, bunte Tempel mit unsagbar kitschigen Gipsgötterfiguren.
Die Westnasen, denen ich begegne marschieren denn auch mit grimmigem Ernst durch die Straßen, weiss wie die Kalkleisten und offensichtlich in ein strenges Curriculum aus Yoga und Artverwandtem eingebunden. Bsonders glücklich wirkt kaum jemand, deutlich durchgeknallt der Bursche mit ein paar um die Hüften gewickelten orangen Tüchern und Crocs, der die ganze Zeit ungefragt und aufgeregt mit deutschem Akzent seine Weisheit über die Heiligkeit des Ganges, diverse Zeremonien, die Götter im Allgemeinen verbreitet und den Indern ihre eigene Kultur erklärt. Immerhin findet er unter den angejahrten oder auch jüngeren Yogaladys die betont aufrecht herumsitzen und versuchen, erlöst zu gucken, immer wieder geduldige Zuhörerinnen, die sich womöglich noch aus der Hand lesen lassen, bevor er vom Cafebesitzer wieder rausgeschmissen wird.
Ich gönne mir ein paar Ruhetage, lasse das Moped warten, mich mit Ayurveda vollschmieren, genieße annehmbaren Kaffee und Kuchen. Die meisten Leute stöhnen über die Hitze, ich merke sie gar nicht so sehr, nur nachts im etwas stickigen Zimmer schwitze ich. Ich habe ein Restaurant mit schönem Blick auf den Ganges, wenn man von den ins Bild hängenden Armierungseisen und Betonbrocken absieht, zu meiner Stammkneipe gemacht. Sogar Bier organisieren mir die Jungs dort.
Eines Abends kommt ein alter Freak herein, langes weißes Gewand, ebensolcher Bart, schicker Hut dazu, nicht ungepflegt, Neuseeländer. Offensichtlich ein Langzeitbewohner Indiens, jedoch einer, der sich eingerichtet hat. Ich biete ihm einen Stuhl an, er fängt an zu erzählen. Von den indischen Zeitaltern, dem derzeitigen des Zerfalls von Anstand und Ordnung, der Wiederkehr Shivas vor siebentausend und dreitausendfünfhundert Jahren der nun wieder seit einigen Monaten auf Erden wndelt und wirkt in der Gestalt eines neuen Gurus aller Gurus, der instant Erleuchtung gewähren kann oder langjährigen Saddhus ihre nehmen kann und dem er anhängt, seine Wiederkehr verkündend;  nahenden apokalyptischen Naturkatastrophen ungesehenen Ausmaßes schon im kommenden Jahr, der Auslöschung eines Drittels der Menscheit, denen natürlich, die nicht lernen wollen und der Errichtung einer idealen Gesellschaft innerhalb der folgenden zehn Jahre. Sollte man in Kontakt mit dem neuen Guru treten wollen, müsse man in Meditation ein bestimmtes Mantra rezitieren. Das schreibt er mir auf, dann verabschiedet er sich wieder.
Wow, dafür kommt man nach Rishikesh.

Mittwoch, 18. Mai 2011

Montag, 16. Mai 2011

Was für ein Tag. Pünktlich um Acht bin ich beim Motorcycle Mechanic, ein alter Mann, der würdig aussähe, würden nicht sämtliche Schneidezähne fehlen. Er lässt mich gegenüber der Werkstatt parken, greift fachkundig in die Speichen und wiegt das Haupt. Dann kassiert er hundert Rupien Vorschuss, schwingt sich auf seinen Roller und verschwindet. Mir zur Unterhaltung bleibt ein Kollege, der eine halbe Stunde versucht, einen Synchronring auf ein zerlegtes Getriebe zu prügeln, der da nicht hinpasst. Insgesamt macht es den Eindruck, dass Einschmelzen die vernünftigste Lösung ist, so kariös sind die diversen Zahnräder. Es wird aber später wieder in einen Jeep eingebaut.
Der Meister kommt zurück mit nichts in den Händen, sitzt ein Weilchen, geht dann Chai holen. Ob er die Parts hätte, wie gestern versprochen? "Parts, hrrr, Parts, harrr, Parts!" Er klingt wie Animal aus der Muppetsshow, Englisch kann er nicht. Dann fummelt er etwas unmotiviert die gebrochene Speiche aus der Felge, deutet auf seinen Roller, wir sollen fahren. Er wendet, popp ist die Kiste aus, Kupplungszug gerissen, wie er mir zeigt, indem er den Draht rauszieht. Wieder verschwindet er, kommt mit Schlüsseln zurück, zieht eine Plane von einem anderen Roller und los gehts. Ich habe gestern schon alle Teilehändler und Werkstätten versucht und tatsächlich fahren wir zu alten Bekannten. Die erklären ihm, wie mir gestern, dass es keine Speichen gibt. Der Alte lässt sich nicht abwimmeln, meint, sie sollten im Nebenladen unten in einer bestimmten Schublade gucken und tatsächlich kommt ein Sammelsurium an Speichen zum Vorschein, er vergleicht und fischt drei passende Enfieldspeichen heraus, zahlt zwanzig Rupies dafür. Mein Respekt steigt.
Zurück wird das Bike auf zwei Steinen aufgebockt, das Hinterrad ausgebaut, Kugellager und Kleinteile fliegen erstmal in den Dreck. Daneben frisst eine Kuh Abfall. Das Hinterrad kommt zu den Reifenwallahs nebenan, die sollen den Reifen abziehen. Er widmet sich dem Motorrad, die Kette wäre zu lang, leider hat er keinen Ersatz, also wird sie aufs Äußerste gespannt, na geht doch. Er findet diverse lose oder fehlende Schrauben, ersetzt sie. Dann nimmt er sich die Felge vor, eine Speiche muss zunächst krummgebogen werden zum Reinfädeln, dann wird sie mit der Kombizange wieder geradegezogen. Eine dritte morsche Speiche trennt er durch und ersetzt sie auch. Richten tut er das Ganze auf der Hinterachse. Er findet einige vorstehende Speichen, verspricht sie abzufeilen. Ich gehe inzwischen frühstücken. Dort setzt sich ein junger Mann mit einem lockeren Schräubchen zu mir, quatscht die ganze Zeit auf Hindi und hat komische Gesichtszuckungen. Das Essen ist ein trockenes Omelett mit Pickles. Überhaupt finde ich das indische Essen nicht so großartig, meistens braunes oder grünes Breichen, dazu Brot oder Reis, viel Teigzeug. Naja, allerdings habe ich alle Hemmungen bezüglich Hygienen abgelegt, futtere jeden und in jedem Dreck, trinke sogar das Wasser, das in Kannen auf dem Tisch steht. 
Zurück zum Moped, der Reifen ist auf der Felge, wird wieder eingebaut. Dabei zählt er sorgfältig die Zähne der Einstellscheiben, damit das Rad gerade läuft. Der Mann versteht sein Geschäft wirklich. Dann macht er eine Probefahrt. Mit der Kupplung ist er nicht ganz einverstanden, stellt sie noch etwas nach. Das schwammige Lenkkopflager ist ihm nicht entgangen, das wird festgezurrt. Der Schmiernippel am Getriebe kriegt großzügig Fett. Ölwechsel könnte auch noch, es ist auch tatsächlich kaum noch welches drin.
Dann strahlt er mich an, macht Muppetsgeräusche, alles fertig. Das Öl kostet mich vierhundertfünfzig Rupien, die Arbeit dreihundert, circa vier Euro fünfzig.
Es ist Mittag, als ich loskomme. Ich möchte gerne bis zum so wunderschönen Valley of Flowers, auch wenn dort jetzt wenig blüht, soll die Aussicht toll sein. Es ist ziemlich warm, die Straße wird bald mies. Die Abschnitte, die von Erdrutschen ruiniert sind, sind fast größer als die geteerten Teile. Und dort staubt es elendig von Bussen und Jeeps. Dafür ist die Aussicht großartig, das Tal wird immer enger zur Schlucht, Nebentäler mit spektakulären Wildbächen, Serpentinen an den Hang geklebt, überhängende Felsen, Abgründe - eine tolle, wenn auch mühsame, Fahrt. Es wird immer gebirgiger bis ich endlich nach Ghangata komme, einem kleine Kaff, Ausgangspunkt für die Wanderung zum Valley. Nur, hier ist nix los, außer Bauarbeiten, ich winde mich durch enge Gäßchen bis zu einem Sikh-Ashram aus dem würdige Turbanträger strömen, mich anstarren, aber nicht mit mir reden wollen. Endlich kann jemand Englisch, ja das Valley wäre noch gesperrt bis zum ersten Juni.
Was tun? Weiter hinauf liegt Badrinath, Pilgerzentrum, denn der Tempel hier ist einer der vier, die die Quellen der heiligen Flüsse markieren. Also los. Jetzt wird es deutlich hochgebirgig, steile Felswände mit ewig hohen Wasserfällen, noch höher sieht man schneebedeckte Berge, die Straße ist nur noch Piste, oft von Schmelzwasserbächen überspült. Da muss man durch und bekommt nasse Füße. Die ersten Schneefelder liegen auch bald unter mir. Die Fahrerei erfordert so viel Aufmerksamkeit, dass mir nicht mal kalt wird, obwohl ich nur Hemd und Jeansjacke trage. Das ist wei bei den Saddhus, heiligen Männern in orangen Gewändern und mit wilden Haaren, die zahlreich die Straße hinaufziehen. Die lernen auch nicht zu frieren. Einer marschiert sogar völlig nackt. Eine Frau mit einem Bündel auf dem Kopf folgt ihm, ist das dann eine Saddhine?
Die letzten Kilometer ziehen sich, eine paar Regentropfen kommen runter, ich sollte jetzt auf gut dreitausend Meter sein. Endlich wird es flacher, die Schlucht weitet sich zum Tal und es wimmelt von Pilgern. Mühsam finde ich eine Unterkunft, nur eine Dreibettzimmer gibt es und das zu gesalzenen Pilgerpreisen. 
Ich spaziere zum heiligen Tempel, was für ein Betrieb, die Straße dorthin auf der einen Seite gesäumt von Pilgersouvenierläden, auf der anderen von Bettlern. Der Tempel selbst ist kritzebunt, eine lange Schlange wartet auf Einlass. Ich wandere durch die Gassen und das Gewimmel, fotografiere viel. Buntes Indien at it´s best. Bei Dunkelwerden wird der Tempel illuminiert, er sieht jetzt wie ein Glückspielpalast aus.

Enfieldsorgen

Vermeidet man Freitag den Dreizehnten indem man einen Ruhetag einlegt, erwischt einen das Pech halt am Samstag danach. Hatte ich gestern entdeckt, dass hinten eine Speiche gerissen war, dauert es nicht lange, ungefähr zwanzig Kilometer den Berg hinunter, bis heute Morgen die nächste folgt. Das ist nicht schön, das Hinterrad eiert ganz schön, da sie nah beieinander den Geist aufgegeben haben. Mitten in den Bergen gibt es leider keine Werkstatt, nur kleine Dörfer wo man eher einen Maulesel beschlagen lassen kann. Klar, dass ich die Kiste nun um jede Kurve herum, über jede Kuppe hinweg und durch jedes Schlagloch hindurch trage. Vierzig Stundenkilometer höchstens. Noch mehr als sonst fürchte ich die Speedbreaker, Asphaltkanten quer über die Straße, die unvermittelt auftauchen ohne Warnschild. Nebst den ganz normalen Schlaglöchern vom Winter, Schotter und Dreckpassagen, wo Erdrutsche runterkamen oder Bäche die Straße zerrissen haben. Manchmal ist auch die halbe Straße ins Tal gefallen, aber das ist mir gerade eher egal. Auerdem mache ich mir Sorgen, wo ich Spritmäßig stehe. Es schwappt zwar noch einige Brühe im Tank, aber wie lange reicht die? Die letzte Tankstelle hatte zu. Erst später habe ich gelernt, dass der Besitzer zugemacht hat, weil die Preise in einigen Tagen angehoben werden und er seinen Vorrat lieber teurer verkauft.
Ich zittere mich 30 Kilometer weiter bis Tharali, hier soll es Sprit geben, vielleicht auch eine Werkstatt. Eigentlich eine wunderschöne Fahrt, leider ist die Straße nicht so doll. Teilweise begleiten mich Schneeberge, tief in den Tälern gibt es grüne Bergflüsse. Die Tankstelle finde ich, einmal voll bitte. Gerademal sieben Liter passen rein. Vierzehn sind es insgesamt. Die Dinger sind Sparwunder, gut dreihundert Kilomter durch die Berge bin ich seit dem letzten mal Tanken gefahren. Der Tankwart hat einen Tip für eine Werkstatt, ein Stück zurück. Dort allerdings Kopfschütteln, Speichen ham se nicht.
Ich muss weiter bis Karnaprayag, dort gibt es bestimmt jemanden, der das reparieren kann. Nochmal gut Fünfzig Kilometer, was solls, entweder es hält oder ich kann dann darüber nachdenken, wie ich mir weiterhelfe. Der Weg führt durchgehend entlang eines Flusses in einer Schlucht, eine wunderschöne Strecke. Nachmittags rolle ich in Karnaprayag ein, einem bunten und natürlich dreckigen Kaff am Zusammenfluss zweier Bergflüsse. Klappere eine Werkstatt nach der anderen ab, nach dem ich mich im Hotel eingemietet habe. Nein, Ersatzteile für Enfields, da siehts schlecht aus. In einem Kaff 10 Kilometer den Fluss runter, da bestimmt. Also nochmal auf den Bock, dort hin gezockelt. Nee, geht nicht, in Srinagar vielleicht. Wie weit wär das denn? So gut Fünfzig Kilometer flussab. Ich wollte eigentlich bergauf. Nun, heute wird das eh nix mehr. Mein Vermieter redet davon, dass fünfzig Kilometer flussaufwärts eine Markt für Motorradteile wäre, da könnten sie bestimmt Enfields reparieren. Er wollte mal da anrufen. Ja danke, bleibt nur leider beim wollen, konkretes kommt nicht mehr von ihm.
Später spaziere ich durchs Dorf, recht buntes Treiben auf der Hauptstraße, Kühe auf der Flussbrücke, ein scharfes Tandooriehuhn gönne och mir in einer dreckigen Spelunke, in der sich die Insassen den Sprudel mit Fusel auffüllen. Dann entdecke ich eine letzte unscheinbare Werkstatt mit einem alten Mann. Sein Englisch ist nicht großartig aber ein Inder hilft beim Übersetzen, ja er könnte das reparieren. Ich habe meine Zweifel, aber werde morgen früh um Acht dort sein. Wir sehen...

Corbett Nationalpark, Berge






in die Berge


Ab dem folgenden Morgen wirds schön. Die ersten Kilometer fährt man im Prinzip durch den Corbett Nationalpark, beziehungsweise seine Pufferzone. Entsprechend gibt es nur wenige Ansiedelungen, ein paar Hirsche sieht man auch. Dann schlängelt sich die tadellose Straße an der Seite eines Flusstales hinauf. Es wird eine Tour über schlängelige Bergstraßen, über kleinere Pässe durch trockene angenehm duftende Kiefernwälder. Wenig Verkehr lässt einen das Fahren genießen, die Enfield zuckelt gleichmäßig die Berge hinauf. Ich kaufe mir ein paar Teigtaschen, mache Picknik im Hochwald und staune über die vielen schicken Vögel hier. Die Nacht bleibe ich in Ranikhet, einem kleinen Ort an der Straße. Wäre es nicht so dunstig, könnte man von hier schon weiße Berge sehen. Der nächste Tag geht weiter durch angenehm warme Nadelwälder, die Straße ist etwas rauher. Hinunter und dann einem weiteren Flusstal hinauf folgend, dass sich ausweitet zu Trockenreisterrasssen und Feldern. Gepflügt wird mit Büffeln, geerntet von Hand. Hinauf auf einen Bergkamm, wo Kausani liegt. Ein kleines Dorf, berühmt für seine Aussicht, die sich allerdings nach wie vor im Dunst versteckt. Ganz entfernt lassen sich einige Schneefelder ahnen. Ghandi kam hierher, um in Ruhe schreiben zu können. Heute kommen allerdings viele Wochenendbesucher hier herauf und es kann schon mal laut werden. Das Hotel ist etwas teuer, hat aber eine schöne Terrasse und, welch ein Luxus, richtig warme Duschen am Vormittag. Abends gibt es Gewitter über den Nanda Devi Gipfeln und wir bekommen ein paar Regentropfen, die den ewigen Staub binden. Nachts ist es angenehm kühl, immerhin sind wir hier auf 1800 Metern. Morgens gibt es einen tieforangen Sonnenaufgang und später werden sich tatsächlich blass die Siebentausender zeigen. Ich beschließe einen Ruhetag, nähe ein paar Klamotten, die die indische Wäsche nicht überlebt haben, wandere durchs Dorf, lasse mich rasieren, diesmal inklusive einer Kopfmassage, nach der ich froh bin, dass noch Haare und Kopfhaut drangeblieben sind, lese Zeitung und genieße die Aussicht.

Mittwoch, 11. Mai 2011

brumm brumm

Die Mopedjungs haben sich zwei Tage bis zur Fertigstellung ausbedungen. Ich schaue mir derweil die große Moschee an und das Red Fort. Beides schön groß, recht nett, heiß und mehr oder weniger dreckig und verfallen. Der Marmorthron im Red Fort ist sehr bezauberndes Mughalrokkoko mit seinen Halbedelsteineinlegearbeiten, Blümchen und Vögelchen im weißen Stein. Leider hinter einem dreckigen Netz versteckt, damit die Tauben nicht draufkacken. Die Vögel sind hier offensichtlich genauso rücksichtslos wie die Zweibeiner. Eine Straße entlangzulaufen erinnert an alte Asteroidsspiele, ständig schießt irgendwer auf dich zu und versucht, direkt durch dich durch zu laufen, zu fahren oder große Lasten hindurchzuschieben. In einer Schlange, z.B.an den U-Bahnticketschaltern wird rücksichtslos gedrängelt, gehts vorne nicht schnell genug schiebt man halt dem Demjenigen vor sich ins Kreuz. Mein Größenvorteil hilft, fahre ich die Ellbogen aus, sind sie auf Nasenhöhe  des ungeduldigen Giftzwergs. Natürlich ist das Ganze so organisiert, dass sich diejenigen mit Ticket durch die andrängende Masse derjenigen zwängen müssen, die eines haben wollen. Da hilft nur Zwergewerfen.
Leider gehaben sie sich im Straßenverkehr genauso. Meine erste Fahrstunde um mich auf die Enfield einzustellen hätte ich denn nicht unbedingt in Delhi haben wollen. Geht aber nicht anders. Im Großen und Ganzen ist die Mühle wirklich okay, nur die Gänge haken fürchterlich und die Kupplung kommt auf dem letzten Zentimeter. Ja, das müsste so, meint der Fachverkäufer. Gemeiner die prinzipbedingten Umstellungen, die Fußbremse ist links, die Schaltung rechts. Wenn ich bremsen will, schalte ich erstmal einen Gang hoch. Denn das geht so: erster Gang hoch, dann zweiter, dritter und vierter nach unten. Auch genau umgekehrt. Die Handbremse ist vernachlässigbar. Außerdem haben sie die Mühle so knapp eingestellt, dass sie gerne einmal ausgeht. Blöd in einem Stau voller drängelnder Maniaks, wenn man die Kiste erstmal wieder antreten muss. Richtig blöd, wenn man gerade vor heransausenden Autos eine Straße queren wollte und nun gemütlich auf sie kullert, denn die Handbremse, an der man panisch zieht, tuts ja nicht.
Ich wurschtele mich am Morgen ostwärts aus Delhi heraus. Mit wärmer werdender Mühle wird das Schaltungsproblem immer unangenehmer, hochschalten geht nur mit Gewalt, runter mit Zwischengas. Irgendwann halte ich an, um mir die Sache anzuschauen. "Das muss so" - am Arsch! Der Spezialist, der an der Kupplung hoffentlich, wie versprochen, die Scheiben gewechselt hat, hat den Zug einfach nur eingehängt. Dass man den auch einstellen muss, interessierte nicht. Nach ein paar Schraubendrehungen flutscht die Sache schon ganz anders.
Ich folge der legendären Great Trunk Road, der Straße die seit Jahrhunderten Indiens Schlagader im Norden ist und von Bangladesh bis Afghanistan reicht. Entsprechend gibt es viele Lkws und vor denen muss man sich wirklich in Acht nehmen. Es gilt das Recht des Stärkeren. Mit Sechzig bis Siebzig Stundenkilometern ist die Enfield ganz glücklich und das ist auch ungefähr das Tempo, mit dem die meisten hier unterwegs sind. Da erspart man sich nervenaufreibende Überholmanöver. Die Straße ist schön breit, zwei Spuren für jede Richtung. Allerdings gibt es jede Menge langsamere Fuhrwerke, Fahrräder, Rikschas, Lastenkarren und was weiss ich. Die trödeln seelenruhig quer durch den Verkehr. Oft kommt einem auch ein großer Lkws als Geisterfahrer entgegen, dann meistens auf der eigenen rechten schnelleren Spur. Sei es, weil der Fahrer ein Ziel auf dieser Seite erreichen will oder einfach weil er glaubt, so bessr voranzukommen. Einige Male sehe ich Wracks die frontal zusammengestoßen sind, da konnte man sich wohl nicht einigen, wer stärker ist. Sie bleiben einfach mitten auf der Straße stehen, einige Backsteine drumherum gelegt, verbreitern das Hindernis. Hat ein Wagen eine Panne, wird mitten im Verkehr repariert. Großartig auch ein Trecker mit einem Platten vorne, sie hatten das Rad seitlich drangebunden und fuhren nun auf drei Rädern. Schneiden, Ausbremsen und zentimeterscharfes aneinander Vorbeisausen sind normale indische Fahrmanöver, will man drehen oder abbiegen, dann tut man das. Soll der restliche Verkehr doch sehen, wie er drumherum kommt. Kaum ein Inder hat einen Führerschein, wozu auch, wenn es keine Verkehrsregeln gibt.
Die Navigation hat ihre eigenen Tücken, Hinweisschilder werden schon einmal hinter der Abzweigung für die sie gelten, aufgestellt. Da musst du erstmal drauf kommen. Wenn sie in Hindi sind, habe ich eh nichts davon. Entsprechend verfahre ich mich einmal, mache einen längeren Abstecher durch Dörfer mit rettungslos verstopfter Ortsdurchfahrt und infernalischem Gehupe. Die Landschaft ist brettflach, ausgedörrt. Die Hitze ist durch den Fahrtwind erträglich, aber ich trinke an diesem Tag bestimmt sechs Liter ohne einmal Pipi zu müssen. Es gibt viele Wasserbüffel und der Hauptindustriezweig ist das Brennen von Backsteinen. Befeuert werden die schwarz qualmenden Schornsteine mit Kuhscheiße, die zum Trocknen zu großen Kegeln und kleinen Häuschen geschichtet wird.
Inklusive Umweg ist die Tour gut dreihundert Kilometer lang, ich bin von morgens acht bis abends um sechs unterwegs, bis ich in Ramnagar am Corbett Nationalpark ankomme. Entsprechend fertig bin ich, falle früh ins Bett. Um Vier Uhr dreißig muss ich wieder aufstehen, um eines der Eintrittstickets zu ergattern. Ich will erst Nachmittags in den Park, aber da nur eine bestimmte Anzahl Vehikel in den Park gelassen werden und alle zu der Stelle mit den Tigern wollen, bringt mich der Guide morgens zum Nationalparksoffice zum Schlangestehen. Es wird ein vergnügliches Stündchen mit lauter Indern, die drängeln, sich gegenseitig vorlassen, mit Freunden ihren Platz weiter vorne in der Schlange tauschen und plötzlich beide vorne sind. Einige haben Platzhalter bezahlt, kommen spät und nehmen deren Plätze vorne ein, andere kommen spät und drängeln einfach so vorne rein. Dazu die Guides, die ständig an der Schlange entlangpatroullieren, versuchen, ihren Kandidaten nach vorne zu bringen und zählen, ob es für eines der begehrten Tickets reicht. Ein Engländer steht hinter mir und irgendwann platzt ihm ob dieses würdelosen Verhaltens die Hutschnur, erst beschwert er sich lautstark bei dem Wärter, der eigentlich für Ordnung sorgen sollte und als der ihn nur dämlich angrinst, marschiert er ganz nach vorne und meint, "Was ihr könnt, das kann ich auch!" Keiner traut sich, ihn zu hauen.
Irgendwann habe ich mein Ticket, bezahle für Eintritt, Ausländer zahlen das dreifache von Indern, Eintritt für den Jeep und den Guide, dazu kommt die Jeepmiete. Ein teurer Spaß. Wirklich genützt hat diese morgendliche Veranstaltung den Moskitos, die sich zwei Stunden an uns sattgefressen haben. Ich kehre zurück ins Hotel und verschlafe den Vormittag.
Tiger bleiben mir weiterhin verwehrt, drei Stunden wildes Geschaukel, viel Staub, viel Deer, Elefanten, erst ältere Bullen aus der Entfernung, dann eine Mutter mit zwei Kälbern ganz nah. Tigerspuren immerhin, zerkratzte Bäume, ansonsten eine Kobra, erstaunlich, wie die Guides die im Gestrüpp gefunden haben.

Samstag, 7. Mai 2011

Rasieren

Am Abend gönne ich mir einen Besuch beim Barbier, in Indien braucht man kein Rasierzeug. Man nimmt in einem der kleinen neonbeleuchteten Friseurläden auf einem ausgeleierten Sessel Platz. Der Meister sieht aus wie eine indische Version von Bud Spencer. Er seift mich lange und gründlich ein, dann wird eine frische Rasierklinge entzweigebrochen und in das altmodische Klapprasiermesser gespannt. Ganz wie zu Opas Zeiten. Wenn man es nicht gewohnt ist, hat die Prozedur einen gewissen Gruselfaktor. Das hier ist ein scharfes Messer, kein dreifachsupersicher Rasierer wie im Abendland. Wer wissen will, was ich meine, schaue sich den Anfang von "Mein Name ist Nobody" mit Buds Kumpel Terrence Hill an.
Hat andererseits den Vorteil, dass die Rasur so gründlich ist, wie man sie bei uns nicht hinbekommt. Es wird einmal grob rasiert, dann wechselt er noch einmal die Klinge und schabt die letzten Reste weg. Viel Alaunstein drauf, ob ich eine Gesichtsmassage haben wollte? Na gerne. Also wird das Gesicht mit etwas Weißem eingecremt, aus einer knallroten Tube wird das Ganze auf zartrosa umgefärbt mit Wasser bespritzt und dann gibts Watschen und Gerubbel im Gesicht. Dann holt er ein Mittelding aus Bohrmaschine und Vibrator mit einem großen Gumminapf, damit werden meine Gesichtszüge durchvibriert. Eine Gesichtsbehandlung hätte er noch anzubieten. Hier kommt mir die indische Geste für Ja ins Gehege. Statt zu Nicken ist es hier ein, sehr unentschieden wirkendes, hin und her Wackeln mit dem Kopf. Mein zweifelndes Wackeln wird sofort als Ja interpretiert und mir eine Kräuterpaste ins Gesicht geschmiert. Während die Pampe trocknet kriegt ein anderer Kunde einen Haarschnitt verpasst. Der Papps wird mit einem feuchten Schwamm runtergeholt. Noch ein paar Watschen. Eine Peelingmaske wäre angesagt, ich hätte da doch einige Pickel. Immer druff. Eine andere Pampe wird aufgetragen, als sie trocknet sehe ich wie ein alter Mann aus. Dann wird der Film abgezogen, ungefähr so wie bei einer sich häutenden Schlange oder in den Phantomas Filmen. Abschließend Eau de Cologne, Rosenduft drauf und die Rechnung. Dass es exorbitant werden würde, war mir schon klar. Dreihundertfünfzig Rupia, das sind ungefähr Fünf Euro Vierzig. Dafür kann man auch übernachten.
Da musste mein Gesicht so lange warten bis zu seiner ersten Wellnessbehandlung, dabei ist das inzwischen auch bei Männern weit verbreitet. Es sei ihm gegönnt, in den nächsten Tagen wird es viel Sonne und indischen Straßenstaub abbekommen.